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Zwischen System und Menschlichkeit: Ein Herbst voller Einblicke

  • skriech
  • vor 5 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 17 Stunden

Der Herbst 2025 stand für mich ganz im Zeichen des Lernens und der Vernetzung im Bereich Asyl und Migration. Ich durfte an zwei Veranstaltungsreihen teilnehmen: der Austauschplattform Asyl-Flucht-Migration, organisiert von der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen und der Caritas St.Gallen-Appenzell, sowie der Veranstaltungsserie Einblicke in den Vollzug der Administrativhaft der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht (SBAA). Beide boten mir wertvolle Einblicke – fachlich wie emotional.


Die Auseinandersetzung mit der Administrativhaft war besonders intensiv. Der SBAA-Bericht, der die rechtlichen Grundlagen, Missstände und Folgewirkungen beleuchtet, begleitete mich durch diese Wochen. Er zeigt, dass Administrativhaft in der Schweiz längst Routine ist: Menschen werden inhaftiert, obwohl sie keine Straftat begangen haben; kantonale Unterschiede führen zu Willkür; Haftbedingungen sind teils unwürdig; psychische Belastungen gravierend. Der Bericht fordert umfassende Reformen, von der Verkürzung der Haftdauer bis hin zu Alternativen wie Case Management.


Diese Hintergründe standen unausweichlich im Raum, als ich am 6. Oktober das Bässlergut besuchte: dunkle, kühle Räume, hohe vergitterte Mauern und ein bedrückender Hof, in dem selbst die Farbe an den Wänden abblättert. Ein Ort, der unverkennbar Gefängnischarakter trägt – verstärkt durch die Nähe zum Strafvollzug.

Zwei Wochen später im  Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft Zürich (ZAA) wirkten die helleren Gänge zunächst weniger schwer und ein grosses Team nahm uns offen in Empfang. Positiv stimmten mich die Pläne für einen Umbau sowie das Projekt Smart Prisons, das Inhaftierten den kontinuierlichen Zugang zu Laptops ermöglicht gegen eine geringe Gebühr (1 CHF pro Tag). Gleichzeitig wurde klar: Die Institutionen tun, was sie können, innerhalb eines Systems, dessen Grundannahmen - sprich die breite Akzeptanz der Administrativhaft - problematisch bleiben.

Während der Führungen spürte ich immer wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste, dass ich diese Orte nach wenigen Stunden wieder verlassen durfte, die Inhaftierten aber wochen- oder monatelang hier verweilen müssen oder gar abgeschoben werden.


Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft Zürich (ZAA)
Zentrum für ausländerrechtliche Administrativhaft Zürich (ZAA)

Diese Erfahrungen liessen mich ganz anders auf den ersten Anlass der Austauschplattform blicken. Das Thema Unterwegs mit Sans-Papiers brachte Gesichter und Geschichten ins Zentrum: Der Film zu tibetischen Sans-Papiers ging mir sehr nahe, und der Input von Matthias Rickli, Geschäftsleiter der Sans-Papiers Anlaufstelle St. Gallen, sowie der darauffolgende Stadtrundgang machte sichtbar, wie verletzlich der Alltag ohne geregelten Status ist.

Am 19. November tat der Besuch beim Generationenhaus Eschenbach gut – ein Ort voller Wärme, Licht und Begegnung. Zudem sprach Lukas Flückiger, Präsident der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) - an dem Tag aber als Privatperson vor Ort - mit Humor, Selbstreflexion und persönlicher Migrationsgeschichte über kulturelle Begegnungen. Sein Vortrag war eine Einladung, andere und auch uns selbst mit mehr Offenheit zu sehen.


Raum der Stille im Generationenhaus, Eschenbach
Raum der Stille im Generationenhaus, Eschenbach

Diese Wochen haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, dranzubleiben, zuzuhören und präsent zu sein. Auch haben sie mich ermutigt, den Austausch weiterzuführen – etwas, das wir auch im Solinetz Ostschweiz wieder stärker beleben möchten.


Jede*r ist willkommen, daran mitzuwirken.



Verfasst von Stefanie Kriech, im Vorstand seit Mai 2025

(Bilderquelle: Eigene Aufnahmen)






 
 
 

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